Kreta, wie es fast keiner kennt.
kretabutler kretabutler
350 subscribers
12,401 views
108

 Published On May 21, 2021

Wenn Sie die schwermütige Atmosphäre eines Luxushotels lieben, dessen beste Tage vorbei sind, wenn Sie gesund genug sind ein Frühstücksbuffet zu würdigen, das selbst die robusten Mägen der Gäste aus foggy Albion wie ein wahrer Hammer trifft dann buchen Sie beim ungeschulten und lustlosen Bedinungspersonal Ihres Golfhotels eine Gruppenreise im „vollklimatisierten" Reisebus zu den Klöstern Preveli und Toplou. Das wohl einzige was Ihnen von diesem Ausflug in Erinnerung bleibt, ist ein Kühlschrankmagnet, der auf der weißen Ware vor sich hinstaubt. Go where the action is! Je länger der Weg umso süßer der Kuss! Viele Wege führen nach Moni Koudoma - auf Spuren der Goldmedaillensiegerin Anna Ntountounaki wie ein Schmetterling von den drei Kirchen bis ins Kloster flattern oder auf Schusters Rappen vom Dorf der Kapitäne entlang der traumhaften Küste ins selige Örtchen. Noch bevor wir die Schuahbandl in die erste Öse unserer Wanderstiefel gefädelt haben, wird zum Dopinig beordert. „Γεια σας φιλοι και φιλες (Griaß eich die Madln, servas die Buam!) - time for Doping! Jorgos, Spitzname Kapitän lachendes Gesicht, beteuert uns im rudimentären Deutsch, dass sein Tropfen aus Maulwürfen Adler mache. Hüft's nix, schodt's nix denken wir uns und wandeln auf den Spuren von Abdel-Kader. Gott sei Dank, weist der Pfad nur in eine Richtung ;-) Der Duft kalabrischer Kiefern weht uns um die Nase und ein jeder von uns ist plötzlich in der Lage metaphorisch die Ethymologie des höchsten Berges (Κόφινα - coffin) zu deuten. Ist es der rassige Rote oder die traumhafte Landschaft, die unsere Phantasie beflügelt?
Den Blick nach links schweifend grüßen die steilen und schroffen Hänge des südlichsten Gebirges Griechenlands, die Augen nach rechts wandernd lächelt uns das lybische Meer in tausenden Farben und tausenden Gesichtern entgegen. Kurze Rast am Marmorkreuz wo sich der beeindruckende Blick auf das Kloster Koudoma auftut. Es tut gut, Gottes freundlichen Gruß zu spüren.
Vom hellen Türkis schrauben wir uns knappe 1600 Höhenmeter in die immergrüne Nida Hochebene hinauf. Kurzer Boxenstop à la Crete mit frischem Bougatsa und kafes frape in Anogia bevor wir uns von dem menschenleeren Plateau in Bann ziehen lassen. Entschleunigung deluxe, sobald man den ehemaligen schnuckeligen Milchhof hinter sich gelassen hat, sind die Gedanken frei. Die vollkommene Ruhe und Abgeschiedenheit nimmt Einen sofort in Besitz. Hmmm, denke ich an Andartis, denke ich zwangsläufig an den Soldaten der Luftlandeschule im oberbayrischen Altenstadt, der Besuchern am Tag der offenen Tür mit stolzgeschwellter Brust von den Einsätzen der Fallschirmjäger auf Kreta berichtete. Frau Annegret Kramp-Karrenbauer, im Verteidigungshaushalt sollten doch ein paar Euronen für eine Aufklärungsreise ihrer Feldwebel drin sein, oder?
Stets erinnern, niemals vergessen. Lippenbekenntnisse und Denkmäler waren der Künstlerin Karina Raeck nicht genug. Die Berlinerin erschuf östlich vom höchsten Berg Kretas ein Monument für den Frieden. Aus 5000 Natursteinen entstand ein beflügelter Partisan. Vienna calling? Nun, in den gängigen Portalen wird oft darüber berichtet, dass es in Palaiochora von Ösis nur so wimmelt. Wir streichen ein N und lassen nicht nur die Bewohner der Alpenrepublik sondern auch unsere restlichen Mitmenschen hinter uns. Auf zum Viena beach! Eine Kolonie von Geiern leistet uns bei der kurzen aber traumhaften Wanderung entlang des Europäischen Fernwanderweges Gesellschaft, welch Naturschauspiel! Viena ist ein Schlaraffenland, ein Paradies – das nach einem Erdbeben rund 9000 Jahre vor Platons Zeit „während eines schlimmen Tages und einer schlimmen Nacht" vom Wasser verschluckt worden sei. Bei versunkenen Städten kommt den Barfußhistorikern wohl zuerst Olous in den Sinn. Bei sanftem Wellengang kann man nicht nur unweit von Agios Nikolaos sondern auch in Mochlos, im Nordosten der Insel, Ruinen und unter Wasser gelegene einstige Verbindungen erkennen. Ich schweife ab.... Es geht, Luftlinie gute 200 Kilometer, zurück in den Südzipel des riesigen Eilands. Touristen von der iberischen Halbinsel können bei einem Besuch der hellenistisch-römischen Stätte zwei Fliegen mit einer Klappe schlagen - Städtetrip in die österreichische Hauptstadt und Exkursion eines faszinierenden heiligen Ortes. Bevor wir es den Seefahrern von einst gleichmachen und einen Toast auf die Gottheiten aussprechen, zwängen wir uns in die Schwimmflossen und stülpen die Taucherbrillen über. Keine zwei lang gewachsenen Matrosen tiefer offenbart das Seebad antike Steingräber, in denen sich unzählige Schwärme von Fischen unterschiedlichster Farbenpracht pudelwohl fühlen. Wir wechseln das Schuhwerk und begeben uns zurück zur Kirche des Prohpeten Ilias, schließlich steigt dort heute eine Panigyria. Nach wenigen Höhenmetern blicken wir zurück in die verlorene Stadt, deutlich ist der rechteckige Grundriss zu erkennen. Es läßt sich leicht ausmalen, dass die Navigatoren des Meeres im geschützten Fjord ihre Anker auswarfen.

show more

Share/Embed