Erfurt, Dom St. Marien - Solistisches Läuten der Gloriosa am 15.08.2002
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 Published On Dec 7, 2019

Eine Anmerkung vorab: hier wird eine eher nicht repräsentative Aufnahme einer weltberühmten Glocke präsentiert. Dennoch hält der Autor die Aufnahme als Zeitdokument für wertvoll genug, im digitalen Campanologiegedächtnis einen Platz zu haben.

Im Sommer 2002 sollte mit der aufwändigen Sanierung der Turmtrias des Erfurter Domes begonnen werden, dafür mussten die Glocken, so auch die große Glocke Gloriosa, für mehrere Jahre schweigen. Aus diesem Anlass verabschiedete sich die Gloriosa nach dem abendlichen Pontifikalamt zu Mariae Himmelfahrt mit einem Sologeläut außer der Reihe.

Die Gloriosa, größte und wohl klangschönste erhaltene Glocke des Mittelalters, erlitt am hl. Abend 1984 einen Sprung, hervorgerufen wohl durch die Drehung der Glocke um 90° 1899 und die Läuteweise mit Läutemaschinen ab 1923 und dem 1927 eingebauten, völlig falsch- und überdimensionierten Klöppel. In diesem Zustand erklingt die Glocke auf etlichen Weihnachts- und Glockenschallplatten. Auf Youtube z. B. ab ca. Minute 4.30 hier:

   • GLOCKEN der DDR  

Die Schweißung der Glocke durch Hans Lachenmeyer erfolgte im Herbst 1985 im Turm. Das offizielle Anläuten der wiedergeborenen Glocke erfolgte am 8. Dezember, also vor nunmehr 34 Jahren.

1997 wurde mit einem umfangreichen Programm das 500jährige Jubiläum des Glockengusses begangen, u. a. mit einem „Europäischen Glockentag“.

2002 bildete sich erneut ein Riss in der Glocke, und zwar in der Schweißnaht von 1985. Lt. Der letztgenannten Quelle (Seidel) wurde der Riss bereits bei einem Probeläuten für Turmschwingungsmessungen am 14.05.2002 festgestellt, andere Quellen besagen, der Riss wurde 2003 entdeckt. Auch wenn der Riss „nur“ 4,5 oder 8cm lang war (bei der Untersuchung in Nördlingen wurde noch ein zweiter Riss entdeckt) – die klangliche Einschränkung der Glocke ist in dieser Aufnahme deutlich zu hören, ja, sie scheint sich im Verlauf des Läutens sogar zu verschlimmern.

In einer umfangreich medial begleiteten und hochkomplexen Aktion wurde die Glocke an ihrem Geburtstag, dem 8.7.2004, aus dem Turm geholt, um im Glockenschweißwerk Lachenmeyer in Nördlingen repariert zu werden. 1985, zu DDR-Zeiten, war so eine Aktion aus vielen Gründen völlig undenkbar. Das Anläuten der reparierten Glocke erfolgte ebenfalls wieder am 8. Dezember, im Jahr 2004.

2006 erhielt die Glocke nochmals einen neuen Klöppel, in diesem Zustand erklingt sie nun 8 mal im Jahr vom Mittelturm des Domes.

Die Aufnahme bringt, wie erwähnt, das Abschiedsgeläut der Gloriosa vor der Turmsanierung 2002 zu Gehör. Hierzu wurden die Teilnehmer des abendlichen Pontifikalamtes zu Mariae Himmelfahrt auf die Terrasse südlich des hohen Chores gebeten. Da „Ottonormalhörer“ sich nach wenigen Minuten mit anderen Dingen beschäftigen mag, steigt der Pegel an Nebengeräuschen erheblich, überlagert das Geläut teilweise sogar. Daher werden die zur Verfügung stehenden Fotos auch nur in der ersten Hälfte der Aufnahme präsentiert. In Abschnitten zeigt die Aufnahme aber deutlich die klanglichen Einbußen der gerissenen Glocke.

Gloriosa oder Maria Gloriosa, am 8.7.1497 auf dem Domberg von Gerhardus Wou von Kampen gegossen. Schlagton e° +3, 2570 mm, 11450 kg.

Aufnahme: 15.8.2002

S/W-Foto/Postkarte: Verlag Erhard Neubeck KG, o. J., anhand der verwendeten Briefmarke in die Zeit zwischen ca. 1961 und 1973 zu datieren.

Farbpostkarte: Kunstverlag Peda, Passau, 2001.

Alle anderen Fotos eigener Provenienz, 2002 und 2009.

Aufnahmetechnik: Gerät: Sharp MD-MT80, Mikrofon: Sony ECM-MS957

Verwendete Quellen/Literatur:

Dr. K. Bund + J. Poettgen (Hrsg.): Jahrbuch für Glockenkunde, 1.-2. Band 1989/90, Stiftung Deutsches Glockenmuseum, Greifenstein 1990, darin: Kurt Kramer: Die Schweißung der beiden Gloriosa-Glocken in den Domen zu Erfurt (1985) und Frankfurt (1987), S. 95-110

Deutscher Kunstverlag München (Hrsg.): Die Glocken des Dombergs zu Erfurt, erläutert von Kurt Kramer, MC und Begleitheft, München 1987

Dr. K. Bund, Prof. Dr. R. Pfeiffer-Rupp, J. Poettgen (Hrsg.): Jahrbuch für Glockenkunde, 15.-16. Band 2003/2004, Deutsches Glockenmuseum auf Burg Greifenstein e. V. 2004, darin: Dr. K. Bund: Erneute Schweißung der Gloriosa erforderlich, S. 582

Dr. K. Bund, Prof. Dr. R. Pfeiffer-Rupp, J. Poettgen (Hrsg.): Jahrbuch für Glockenkunde, 17.-18. Band 2005/2006, Deutsches Glockenmuseum auf Burg Greifenstein e. V. 2006, darin: H.-W. Schmitz: Letzte Gewißheit – eine DVD zum Schadensfall Gloriosa bzw.: Zur erneuten Schweißung der Erfurter Gloriosa (lt. Inhaltsverzeichnis), S. 554-559

„Heimat ARCHIV“ bzw. Sutton-Verlag GmbH, Erfurt: Ulrich Seidel: Die Gloriosa – Rettung einer Glocke, Erfurt 2005

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