Hinter den Kulissen des letzten Ringofens in NRW | RTL WEST, 19.04.2024
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 Published On Apr 19, 2024

In Erkelenz am Rande der Kölner Bucht steht der hierzulande letzte „Ringofen“ zum Brennen von Klinkersteinen. Das Prinzip des Ringofens ist eine alte, zeitaufwendige Methode der Ziegelherstellung aus Tonerde, die besonders hochwertige „Backsteine“ hervorbringt. Sie ist zugunsten moderner, automatischer Tunnelöfen heute fast ausgestorben.
Das Familienunternehmen Gillrath betreibt aber noch einen in fünfter Generation und mit viel Erfolg. Er ist mehr als hundert Jahre alt und aus ihm stammen auch hunderttausende von Klinkern, aus denen die historische Fassade des heutigen RTL-Gebäudes am Kölner Rheinufer besteht.
Der Begriff „Klinker“ kommt vom niederländischen Wort „klinken“, also „klingen“. Nach dem typischen Geräusch, das die Ziegelsteine beim Aufeinanderschlagen hervorbringen. Mitinhaber Bastian Gillrath kennt den Klang seit frühester Kindheit: "Wenn der Klinker hoch und dicht gebrannt ist, dann gibt es einen hohen Klang. Das heißt, er hat eine geringe Wasseraufnahme und er ist sehr druckfest in seiner Stabilität. Da brauche ich kein Prüfgerät. Ich höre, dass das eben eine hohe Qualität ist. "
Ein bisschen erinnert die Atmosphäre im Ringofen an eine Großbäckerei aus uralter Zeit. Und in der Tat stellen sie hier ja her, was landläufig auch "Backsteine" genannt wird. In einem wahrhaft riesigen Ofen, hierzulande dem letzten seiner Art. Es ist ein sogenannter "Ringofen", weil die insgesamt sechzehn gewölbekellerartigen Brennkammern unter diesem Dach wie in einem ovalen Ring um den Schornstein herum angeordnet sind. In jeder Brennkammer kann den Rohlingen aus Ton in unterschiedlicher Stärke eingeheizt werden, per Gasflamme, von oben reingeblasen. Die Hitze von bis zu 1.200 Grad wandert gewissermaßen von Kammer zu Kammer. Eine Runde dauert rund zwei Wochen. Dieser extrem lange Brennvorgang ist einer der Gründe für die hohe Qualität der Klinker aus dem Gillrathschen Ringofen.
Individuell im Handwerk hergestellte, zwei Wochen lang gebrannte Ringofenziegel sind in der Regel teurer als welche aus einem automatisierten Industrie-Tunnelofen. Dennoch ist die Nachfrage riesig, bestätigt Marcus Gillrath. Er ist Betriebswirt und der knapp zwei Jahre ältere Bruder von Ingenieur Bastian Gillrath. Zusammen haben die beiden das Familienunternehmen 2015 von ihrem Vater Heinz übernommen. Und produzieren heute rund viereinhalb Millionen Klinker pro Jahr. Der Vertriebler kann erklären, warum das Geschäft trotz der allgemeinen Bau- und Wirtschaftskrise weiterhin boomt: „Wir haben viele Projekte, auch im Sanierungsbereich. Der läuft nach wie vor weiter. Und im Neubaubereich haben wir das Glück, dass wir natürlich teilweise auch Kunden haben, die sich auch jetzt noch das Bauen leisten können. Und ein dritter Punkt ist, dass wir unsere Klinker in alle Welt exportieren, also wirklich in verschiedene Länder, von der Schweiz über Skandinavien oder Spanien bis in die USA. Und deswegen sind wir da ganz gut aufgestellt. Aber wir merken natürlich auch, dass der Neubau in Deutschland gerade erheblich zurückgeht."
Und die Preise für Energie extrem gestiegen sind. Beim Gasverbrauch hat der alte Ringofen jedoch sogar wirtschaftliche Vorteile gegenüber den modernen Tunnelöfen der Konkurrenz: Er kann die Abwärme der abkühlenden Ziegel optimal zum Vortrocknen und Aufheizen der Rohlinge nutzen. Außerdem gewinnen die beiden Brüder auf ihren gewaltigen Dachflächen viel Energie aus der Sonne.

Ein Beitrag von Stefan Efferth
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